Bei einer Gruppe von Menschen ist bei gleicher Belastung jeweils eine individuelle Beanspruchung festzustellen. Infolge einer Belastung führen jeweils individuelle Voraussetzungen eines jeden Menschen zu einer entsprechend unterschiedlichen Beanspruchung.
Im Kontext der Gesunden Führung müssen Führungskräfte daher verstehen, dass die Belastung für jeden Mitarbeiter individuell gesteuert und reguliert werden muss, um eine gesundheitsschädliche Überbeanspruchung zu vermeiden.
Ein Verständnis für die Wirkmechanismen im Rahmen des Belastungs-Beanspruchungs-Konzepts ist somit ein wichtiger Bestandteil, um sowohl selbst dauerhaft gesund zu bleiben, als auch Mitarbeiter gesund zu führen.
Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept
Im Rahmen des Belastungs-Beanspruchungs-Konzepts ist unter dem Begriff Belastung die Gesamtheit der äußeren Bedingungen und Anforderungen im Lebenssystem eines Mitarbeiters zu verstehen, welche auf dessen physiologischen sowie psychologischen Zustand einwirken.
Im Hinblick auf die betriebliche Umgebung kann zwischen den folgenden verschiedenen Belastungsformen unterschieden werden:
physikalische Belastungen (z. B. Lärm, Schwingungen, Kräfte)
chemische Belastungen (z. B. Lösungsmittel, Reizgase)
psychosoziale Belastungen (z. B. Zeitdruck, Monotonie)
physische Belastungen (z. B. Gewichte, Ergonomie)
Der Begriff Beanspruchung beschreibt hingegen die innere Reaktion des Mitarbeiters auf die Belastungen, welchen dieser ausgesetzt ist. Diese Reaktion ist maßgeblich von seinen individuellen Voraussetzungen (z. B. Größe, Alter, Fähigkeiten, Begabungen, Fertigkeiten usw.) abhängig.
Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept geht daher davon aus, dass bei einer gleichbleibenden Belastung und konstanten individuellen Voraussetzungen, wie zum Beispiel einem Mitarbeiter, welcher regelmäßig seiner Arbeit nachgeht, die Beanspruchung von der Veränderung der Belastung abhängig ist. Eine Veränderung der Belastung würde demnach zu einer Veränderung der Beanspruchung führen.
Ebenso beschreibt das Konzept, das bei einer gleichbleibenden Belastung und variablen individuellen Voraussetzungen, wie zum Beispiel bei verschiedenen Mitarbeitern einer Abteilung, die resultierende Beanspruchung von den individuellen Voraussetzungen abhängig ist. Trotz gleichbleibender Belastung ist demnach bei den einzelnen Mitarbeitern eine unterschiedliche Beanspruchung festzustellen.
Was also an Belastung für den einen Mitarbeiter gerade richtig sein mag, ist für den anderen möglicherweise schon zu viel und kann zu einer übermäßigen Beanspruchung führen.
Denken Sie zum Beispiel nur an die Szene, welche sich im Sommer in vielen Büros abspielt:
Zwei Mitarbeiter teilen sich ein Büro, beide haben die gleiche Arbeitsplatzausstattung mit schlechter Ergonomie, beide arbeiten 8 Stunden bei einer Raumtemperatur von 28 Grad.
Mitarbeiter A verspürt am Nachmittag leichte Nackenverspannungen, fühlt sich ansonsten jedoch wohl.
Mitarbeiter B verspürt jedoch starke Nackenverspannungen, hat erhebliche Konzentrationsprobleme, fühl sich unwohl und ist aufgrund dessen völlig unzufrieden.
Erweiterung des Belastungs-Beanspruchungs-Konzepts
Ausgehend von der oben beschriebenen Erklärung von Belastung und Beanspruchung handelt es sich bei dem zunächst dargestellten Ansatz um eine reine Ursache-Wirkungs-Beziehung. Danach könnte beispielsweise eine „arbeitsbedingte Erkrankung" als eine „belastungsbedingte Veränderung" von Mitarbeitern verstanden werden. Solche Überlegungen machen deutlich, dass der dargestellte Ansatz für eine Anwendung in dem komplexen System "Unternehmen" noch erweitert werden muss.
Denn in dem Ansatz muss auch zum Ausdruck kommen, dass sich Mitarbeiter durch Belastung und den hieraus resultierenden Beanspruchungen verändern können. Hiermit würde beispielsweise auch die alltägliche Erfahrung zu erfassen sein, dass Belastung zu Ermüdung führen kann.
Nach dem erweiterten Ansatz gilt also, dass auch eine gleichbleibende Belastung zu einer Veränderung von Mitarbeitern führen kann. So kann es zum Beispiel passieren, dass ein Mitarbeiter jahrelang die gleiche Tätigkeit ausübt und diese fortwährend zu einer niederschwellig übermäßigen Beanspruchung führt. Lange bewältigt der Mitarbeiter daher problemlos seine Arbeit, später kann es dann jedoch zu Problemen kommen. Ein Praxisbeispiel hierfür sind Rückenbeschwerden aufgrund jahrelang falsch ausgeführter Hebe- und Tragetätigkeiten. Einmal ein Gewicht unsachgemäß zu Heben ist für die meisten Menschen kein Problem, dauerhaft kann dies jedoch den Körper übermäßig beanspruchen und so zu Verschleiß führen.
Es kann darüber hinaus auch der Fall eintreten, dass bei gleichbleibender Belastung die individuelle Leistungsfähigkeit durch äußere oder Umstände abnimmt, woraus ebenfalls eine übermäßige Beanspruchung resultieren kann.
Beispiele hierfür sind unter Umständen Veränderungen im privaten Bereich wie Trennungen, Todesfälle, Geburten oder finanzielle Probleme, welche dazu führen können, dass ein Mitarbeiter den Belastungen seines Lebens oder der Arbeit nicht mehr gerecht werden kann, ohne dass sich diese objektiv geändert hätten.
Möglichkeiten zur Reduktion von übermäßigen Beanspruchungen
Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept bietet grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die physischen und psychischen Beanspruchungen zu reduzieren.
Führungskräfte können daher ...
die äußeren Belastungen der Mitarbeiter verringern oder
die Fähigkeit der Mitarbeiter steigern, diesen Belastungen zu widerstehen und damit eine geringere Beanspruchung zu empfinden.
Darüber hinaus ist es auch wichtig festzustellen, in welchen Bereichen die individuellen Belastungsgrenzen liegen, um eine übermäßige gesundheitsschädliche Beanspruchung zu vermeiden.
Führungskräfte müssen ebenso verstehen, dass eine reine Orientierung an vorgeschriebenen Grenzwerten, wie zum Beispiel den Vorgaben der Berufsgenossenschaft, oftmals nicht ausreichend ist. Vielmehr müssen die individuellen Voraussetzungen eines jeden Mitarbeiter stärker berücksichtigt werden, um die Gesundheit dauerhaft zu erhalten.
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Johanna Riesenbeck, Geschäftsführung