Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Was ist unter der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu verstehen?

Vor über einer Woche aktualisiert

Was bedeutet die Fürsorgepflicht für Arbeitgeber?

Gerade das Arbeitsrecht lässt viel Raum für eigene Interpretationsansätze, sodass auch der Bereich der Fürsorgepflichten eher diffus definiert ist und oftmals erst Rechtssprechungen die Basis bilden. Ein Anhaltspunkt für die Fürsorgepflichten bietet daher der § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dort wird auf die Pflicht des Arbeitgebers verwiesen, sich nach „Treu und Glauben“ zu verhalten.

Bedeutung von „Treu und Glauben“
Grundsätzlich ist festzustellen, dass für die Verhaltensweise des "Treu und Glauben" keine allgemeingültige Definition besteht. In der Praxis sieht es dann so aus, dass erst wenn ein Streitfall vor einem Gericht landet, der Richter über den speziellen Fall entscheidet.

Etwas konkreter wird dies im § 241 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beschrieben - jeder Vertragspartner ist in einem Schuldverhältnis zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter und -interessen des anderen Teils verpflichtet. Dabei umfasst das Wort „Rechtsgüter“ etwa das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit und das Eigentum.

Auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen in einem Schuldverhältnis: Der Mitarbeiter arbeitet und bekommt dafür Geld vom Chef.

Wie sieht die im § 241 BGB geforderte „Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter“ im Arbeitsalltag konkret aus?

Beispiel: Hat ein Arbeitnehmer Dienst- oder Schutzkleidung zu tragen, muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass dieser seine privaten Sachen sicher ablegen kann. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer also einen abschließbaren Spind oder etwas Ähnliches zur Verfügung stellen, um das Eigentum des Arbeitnehmers in dem Fall zu schützen.


Aufgaben der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

An welchem Punkt genau die Rücksichtnahme auf das Leben, die Gesundheit, die Freiheit und das Eigentum beginnt und wo sie endet, legt das Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) jedoch nicht fest. Daraus ergibt sich für Gerichte die Aufgabe, solche abstrakt gehaltenen Paragrafen im konkreten Fall auszulegen und eine entsprechende Schutzpflicht abzuleiten.

Es gibt zwar keine konkrete Liste von Pflichten in Bezug auf die Fürsorgepflicht, die Arbeitgeber abhaken könnten, um sicherzugehen, die Fürsorgepflicht nicht zu verletzen, dennoch bestehen ein paar Leitgedanken zur Orientierung, welche der Gesetzgeber in dem Bezug aufgestellt hat.

So heißt es beispielsweise in § 618 Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): „Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“

Das bedeutet: Der Arbeitgeber muss alles dafür tun, dass Arbeitnehmer ihre Arbeit gefahrlos erledigen können.

Daher gibt es auch eine Reihe gesetzlicher Schutzvorschriften, zu denen beispielsweise die folgenden gehören:

  • das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Es verpflichtet Arbeitgeber, zu ermitteln, ob und wie ihre Mitarbeiter bei der Arbeit gefährdet sind. Bestehen Gefahren für die Sicherheit oder Gesundheit, muss der Arbeitgeber entsprechende Schutzmaßnahmen treffen.

  • das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Es setzt unter anderem fest, wie lange Mitarbeiter höchstens am Tag arbeiten dürfen und welche Ruhepausen sie einhalten müssen.

  • das Mutterschutzgesetz (MuSchG). Es legt beispielsweise fest, in welchen Zeiten Schwangere und Mütter vor und nach der Entbindung arbeiten dürfen und welchen Kündigungsschutz sie haben.

  • die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Sie legt fest, was Arbeitgeber beim „Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten“ in Bezug auf die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit der Beschäftigten zu beachten haben.

  • das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es verbietet Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters oder ihrer Sexualität zu benachteiligen. Und verpflichtet Arbeitgeber dazu, erforderliche Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen.

  • die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sie regelt unter anderem, welche Daten des Arbeitnehmers der Arbeitgeber erheben und speichern darf.

In der Praxis muss vor allem zwischen diesen härteren gesetzlichen Pflichten und darüber hinaus den Fürsorgepflichten differenziert werden, die im Wesentlichen durch die entsprechende Rechtsprechung entwickelt wurden.

Fürsorgepflicht aus konkreten Urteilen

Die Unterrichtungspflicht als Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Die Unterrichtungspflicht ist zum Beispiel dann wichtig, wenn ein Mitarbeiter ein Unternehmen verlässt. Für diesen Fall regelt das Sozialgesetzbuch (SGB), dass Arbeitgeber Mitarbeiter über deren Pflicht unterrichten müssen, sich unverzüglich bei der Agentur für Arbeit zu melden und sich um eine neue Arbeitsstelle zu kümmern.

Außerdem gehört zur Unterrichtungspflicht, zum Beispiel einem neuen Mitarbeiter die sozialen Einrichtungen des Arbeitsortes zu erklären.

Die Auskunftspflicht als Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Arbeitgeber haben immer dann eine Auskunftspflicht, wenn

  • der Arbeitgeber über Informationen verfügt, die für den Arbeitnehmer ersichtlich von Bedeutung sind.

  • der Arbeitgeber diese dem Arbeitnehmer ohne erheblichen Aufwand zugänglich machen kann.

  • dem Arbeitnehmer ohne diese Informationen ein erheblicher Schaden droht.

Beispiel
Ein Unternehmen möchte sich von einem Mitarbeiter trennen und bietet ihm einen Aufhebungsvertrag an. Der Arbeitgeber muss den Mitarbeiter dann darauf hinweisen, dass mit dem Aufhebungsvertrag zum Beispiel seine Ansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge entfallen können.

Auch für die Auskunfts- und Unterrichtungspflicht gilt, dass oftmals erst die Gerichte festlegen, wie die genauen Grenzen der Fürsorgepflicht verlaufen.


Welche Strafen drohen bei einer Verletzung der Fürsorgepflicht?

Wenn ein Arbeitgeber tatsächlich seine Fürsorgepflicht verletzt, drohen folgende Konsequenzen:

Der Arbeitnehmer dürfte,

  • seinen Arbeitsvertrag außerordentlich kündigen. Er müsste sich dann nicht an Kündigungsfristen halten.
    Allerdings: In der Regel muss der Arbeitnehmer aber vorab den Arbeitgeber abmahnen und auf die Einhaltung der Pflichten hinwirken.

  • seine Arbeit verweigern. Besteht eine akute Gefahr, darf der Arbeitnehmer zu Hause bleiben. Doch diese Leistungsverweigerung muss in Relation zur Gefahr stehen. Ein ergonomisch nicht korrekt eingestellter Schreibtisch ist beispielsweise keine akute Gefahr.

  • den Arbeitgeber darauf verklagen, seine Pflichten zu erfüllen.

  • Schadensersatzansprüche geltend machen.


Kann sich ein Arbeitgeber von der Fürsorgepflicht befreien?

Die Fürsorgepflicht ist laut § 619 Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unabdingbar. Arbeitgeber können sich über den Arbeitsvertrag also nicht von der Fürsorgepflicht befreien oder diese einschränken­. Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erforderliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen hat.

Ist dem Arbeitgeber beispielsweise eine gesundheitlich bedingte Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bekannt, muss er dies unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht berücksichtigen.

  • Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer zum Beispiel keine Arbeiten zuweisen, die dieser aufgrund eines vorgelegten ärztlichen Attests nicht ausüben darf.

  • Je gravierender ein möglicher Schaden für Arbeitnehmer sein kann, umso stärkere Schutzmaßnahmen muss der Arbeitgeber ergreifen, um einen etwaigen Schadenseintritt zu verhindern.


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Johanna Riesenbeck, Ihre Beraterin

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